Die Gnade erzieht uns
Daniel Schenk
Titus 2.11-14: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen, und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben in dem jetzigen Zeitlauf, indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten. Der hat sich selbst für uns gegeben, damit er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.“
Die Gnade Gottes ist erschienen!
Wann ist sie erschienen?
Zwei Schriftstellen, die ich nachstehend aufführe, beantworten diese Frage eindeutig:
Joh.1.14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
Joh.1.17: „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
Jesus Christus hat uns die Gnade gebracht. Er hat dafür einen hohen Preis bezahlt, denn Er musste zuerst die Ansprüche des mosaischen Gesetzes erfüllen. Dazu zählt auch das Sühneopfer von Golgatha.
Heilbringend (zur Rettung) allen Menschen
Wie grosszügig ist doch Gott, dass Er diese teure Gnade allen Menschen anbietet. Keiner ist ausgeschlossen, jeder kann sie annehmen. Diese Gnade rettet jeden, auch dem gefallensten Sünder bringt sie das Heil.
Die Propheten des Alten Bundes hatten bereits eine Vorahnung von dieser wunderbaren Rettung und hielten Ausschau danach.
1.Petr.1.10-12: „Im Hinblick auf diese Rettung suchten und forschten Propheten, die über die an euch erwiesene Gnade weissagten. Sie forschten, auf welche oder auf was für eine Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er die Leiden, die auf Christus kommen sollten, und die Herrlichkeiten danach vorher bezeugte. Ihnen wurde es geoffenbart, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienten im Blick auf das, was euch jetzt verkündet worden ist durch die, welche euch das Evangelium verkündigt haben im Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt ist, in welche Dinge Engel hineinzuschauen begehren.“
Die Gnade unterweist (erzieht) uns
Das griechische Wort, das hier mit „unterweisen“ oder „erziehen“ wiedergegeben wird, heisst „paideuo“. Im „Sprachschlüssel“ der Elberfelder Studienbibel ist es folgendermassen erklärt:
„Ein Kind aufziehen, erziehen. Es bezeichnet das Handeln bei der ethischen und geistigen Erziehung eines Kindes, um das bewusste Wollen und Handeln zu beeinflussen. Es bedeutet unterweisen, besonders ein Kind oder einen Jugendlichen zurechtweisen, unterweisen, erziehen durch Bestrafung.“
Während im ersten Teil des Verses bei der rettenden Gnade von allen Menschen die Rede ist, wird bei der erziehenden Gnade nur eine bestimmte Gruppe von Menschen angesprochen. Paulus schreibt „uns“ und meint dabei die Gläubigen. Auch Mose und der Hebräerbrief reden davon, dass Gott Seine Kinder oder Söhne erzieht:
5.Mose 8,5: „So erkenne in deinem Herzen, dass der HERR, dein Gott, dich erzieht wie ein Mann seinen Sohn erzieht!“
Hebr.12,5: „Und habt die Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: „Mein Sohn, schätze nicht gering des Herrn Züchtigung, und ermatte nicht, wenn du von ihm gestraft wirst!
Hebr.12,7+8: „Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott behandelt euch als Söhne. Denn ist der ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, deren alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr Bastarde und nicht Söhne.“
Auch wir als irdische Eltern erziehen unsere eigenen Kinder und nicht die fremden, obschon wir diese auch lieben. Ein Kind, das erzogen wird, empfindet das für den Moment oft nicht unbedingt positiv. Es beneidet vielleicht sogar ein anderes Kind, das keine oder nur eine lockere Erziehung geniesst. So ging es einst sogar dem König Asaph. Er fing an, die Gottlosen zu beneiden, als er sah, wie ihnen alles gelang. Als er jedoch in das Heiligtum ging, sah er alles aus einer anderen Perspektive und war wieder dankbar (Ps.73.2-17).
Wenn wir merken, dass Gott uns erzieht, sollten wir sehr dankbar und glücklich darüber sein. Daran erkennen wir Seine Liebe zu uns und dass Er uns auf ein bestimmtes Ziel hin zubereitet.
Wie erzieht uns die Gnade?
Wenn wir an Gnade denken, dann denken wir oft nur an Vergebung und Aussöhnung. Das sind Dinge, welche sie tut, aber es ist nur ein Aspekt der Gnade. Die Gnade übersieht nicht einfach die Sünde, sondern sie will uns zurechtbringen.
Die Verkörperung der Gnade ist eigentlich Jesus Christus selbst, denn Er hat ja die Gnade gebracht. Wenn Er einem Menschen die Schuld vergeben hat, dann hat Er nie gesagt: „Weisst Du, das ist gar nicht so schlimm, was du getan hast“. Nein, oft sprach Er: „Sündige hinfort nicht mehr“.
Dass wir nicht mehr sündigen, das ist es, was die Gnade in uns wirken möchte. In der Gegenwart Jesu haben die Menschen empfunden, was Sünde ist und was vor Gott nicht bestehen kann.
Als die Juden in der Gegenwart Jesu eine Ehebrecherin steinigen wollten, wurden sie von ihrem Gewissen überführt und gingen weg (Joh.8.3-9).
Als Petrus zum ersten Mal Jesus begegnete und Seine Macht in einem gewaltigen Fischfang erlebte, sprach er: „Geh von mir hinaus! Denn ich bin ein sündiger Mensch“ (Luk.5.8).
Die Gnade straft und entlarvt die Sünde.
Unterschied zwischen Gesetz und Gnade
Um die Gnade noch deutlicher hervorzuheben, stellen die Apostel in ihren Briefen oft Gesetz und Gnade einander gegenüber. Worin liegt der Unterschied? Beide (Gesetz und Gnade) wollen uns ja erziehen und wollen verhindern, dass wir sündigen. Das Gesetz kann aber nur anordnen und verbieten. Der Mensch muss durch seinen eigenen Willen der Sünde widerstehen und dabei unterliegt er leider sehr oft. Die Gnade aber ist eine göttliche Macht, welche die Sünde entkräftet. Das sehen wir deutlich in dem Schriftwort aus
Römer 6.14+15: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Was nun, sollen wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? Das sei ferne!“
Das Gesetz verbietet und verurteilt. Die Gnade weist uns auf das Vermögen hin und zeigt uns die Erlösung und Vergebung. Sie erinnert uns etwa an
Kol.1.13+14: „Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe. In ihm haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden.“
Das Gesetz verurteilt uns. Die Gnade gibt uns den Freimut, zu unserem Fürsprecher (1.Joh.2.1) und zum Thron der Gnade (Hebr.4.16) zu kommen. Dort findet man rechtzeitige Hilfe und muss nicht zu Fall kommen.
Was lehrt uns die Gnade?
Sie lehrt uns, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden zu verleugnen. Petrus hat Jesus verleugnet, indem er sprach: „Ich kenne diesen Menschen nicht“. Er hat ihn sehr wohl gekannt, aber er hat Ihn verleugnet. So sollen wir es gegenüber der alten Schöpfung und den weltlichen Begierden tun. Die Gnade lehrt uns, dass wir die Wahrheiten der Schrift aussprechen, indem wir etwa folgendes sagen (proklamieren):
- „Ich bin eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, alles ist neu geworden“ (2.Kor.5.17)
- „Ich kann in einem neuen Leben wandeln, mein alter Mensch ist mitgekreuzigt, ich muss der Sünde nicht mehr dienen, ich bin frei!“ (Rö.6.4-7)
- „Ich werde nicht mehr verdammt. Das Gesetz des Lebens hat mich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes“ (Rö.8.1+2)
Die Gnade lehrt uns auch „gerecht und gottesfürchtig zu leben“ (Tit.2.12). Dabei sollen wir die Wiederkunft der Herrn Jesus Christus erwarten. Das hilft uns, unsere Prioritäten richtig zu setzen und uns rein zu erhalten von den Dingen, die uns von Ihm trennen (2.Kor.7.1).
Das Ziel der Erziehung
Wenn wir jemand erziehen oder ausbilden, dann haben wir eine gewisse Vorstellung, was aus dieser Person werden soll. Wir haben ein Ziel vor Augen. Der Vers 14 aus unserem Textwort umschreibt dieses Ziel:
„Der hat sich selbst für uns gegeben, damit er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.“
Der Herr möchte ein gereinigtes Volk. Dafür hat Er sich selbst geopfert. Er redet hier von einem Eigentumsvolk, das weist auf eine ganz tiefe Beziehung hin. Gott wollte schon immer eine tiefe Beziehung mit den Menschen haben. Als diese durch den Sündenfall mit Adam und Eva zerbrach, erwählte Er sich in der leiblichen Nachkommenschaft Abrahams das Volk Israel. Aber auch da kam immer wieder Sünde, Untreue und Götzendienst dazwischen. Jetzt ist es die Gemeinde, die Er sich erwählt hat und mit der Er in einer tiefen Beziehung leben will. Die konkordante Übersetzung sagt in Vers 14: „Ein Volk … das um ihn her sei.“ Er möchte uns „um sich“ haben. Als Glieder des Leibes Christi wollen wir das sehr ernst nehmen. Wir haben ja einen viel sanfteren Erzieher als die Israeliten. Sie hatten das Gesetz, wir haben die Gnade. Lasst uns gehorsame Söhne sein, damit wir den Herrn nicht betrüben und enttäuschen. Er hat es nicht verdient, denn Er hat uns mit dem Preis Seines eigenen Lebens für Gott erkauft. Er hat uns gereinigt, wir sollen uns rein erhalten.
Eifrig in guten Werken
Als Resultat der Erziehung soll und wird unser Leben Frucht bringen.
Tit.3,8: „Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die zum Glauben an Gott gekommen sind, darauf bedacht sind, sich um gute Werke zu bemühen. Dies ist gut und nützlich für die Menschen.“
Tit.3,14: „Lass aber auch die Unseren lernen, sich für die notwendigen Bedürfnisse um gute Werke zu bemühen, damit sie nicht unfruchtbar seien!“
Die Gnade der Rettung haben wir mit grosser Dankbarkeit angenommen. Wir wollen auch der erziehenden Gnade in unseren Leben Raum lassen. Im eingangs erwähnten Textwort wird das Ergebnis dieser Erziehung wie folgt beschrieben:
- Die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen.
- Besonnen, gerecht und gottesfürchtig leben.
- Die Erscheinung Jesu Christi erwarten.
- Tiefe Gemeinschaft mit Jesus als Sein Eigentumsvolk (um Ihn her sein).
- Ein gereinigtes Leben.
- Eifrig in guten Werken.
Wie weit haben wir uns der Erziehung durch die Gnade schon geöffnet?